Bereits im August haben wir Sie zum Thema Nachhaltigkeitszertifizierungen informiert. Aufgrund zahlreicher Fragen wollen wir Sie nun mit aktuellen Informationen versorgen.
Stand der rechtlichen Grundlagen
Die Novelle der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV), die der Umsetzung von RED II in deutsches Recht dient, befindet sich noch in der Notifizierung durch die EU. Die sog.
Stillhaltefriste endet am 12.11.21, so dass frühestens zu diesem Zeitpunkt die Notifizierung durch die EU erfolgen wird.
Aktuell lässt sich nicht verlässlich voraussagen, ob die BioSt-NachV zeitnah oder erst deutlich später in Kraft treten wird, denn die EU könnte im Zuge der Notifizierung Änderungen verlangen. Aus juristischen Kreisen verlautete, dass die Nichtberücksichtigung der Wärme in der Verordnung (die aktuell nur das Thema Strom aufgreift) zu einer Ablehnung durch die EU führen könnte. Des Weiteren ist fraglich, wie dringlich das Vorhaben durch die (alte oder neue) Bundesregierung eingestuft wird und wie die Kabinettssitzungen liegen. Erst mit Verabschiedung der notifizierten Verordnung durch das Bundeskabinett wäre die Rechtsgrundlage für die Zertifizierungen nach RED II geschaffen.
Wer ist betroffen und welche Fristen gelten?
Da die neue BioSt-NachV noch nicht in Kraft ist, unterliegen die Betreiber noch keinen Fristen zur Nachhaltigkeitszertifizierung für ihren EEG-Strom. Sollte die BioSt-NachV jedoch noch dieses Jahr und unverändert in Kraft treten, so müssen Nachhaltigkeitsnachweise ab dem 01.01.2022 vorliegen (§ 55 BioSt-NachV), sprich, bis zu diesem Zeitpunkt müssen alle betroffenen Anlagen, also:
- Biogasanlagen, Satelliten-BHKWs und Biomethan-BHKWs mit einer Feuerungswärmeleistung je Anlage von 2 MW oder mehr,
- Biogasaufbereitungsanlagen, deren eingespeistes Biomethan in Anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung ab 2 MW verstromt wird und
- Verstromungsanlagen, die feste Biomasse (Hackschnitzel, Pellets, Rinde, etc.) verfeuern mit einer Feuerungswärmeleistung 20 MW oder mehr
einen Nachhaltigkeitsnachweis besitzen.
Diese Frist einzuhalten ist sehr engagiert, denn die Zertifizierungsstellen und Auditoren befinden sich noch in der Anerkennung und die Audits müssten dann in einer Zeit stattfinden, in der die Umweltgutachter schon durch das EEG zeitlich stark beansprucht sind. Außerdem sind die notwendigen Infrastrukturen erst noch zu schaffen (z.B. Anpassung der Datenbank der BLE und Registrierung der Wirtschaftsbeteiligten bei einem Systemgeber). Ob dies alles gelingen kann, bleibt abzuwarten.
Wohl aus diesem Grund hat der Verordnungsgeber in der neuen BioSt-NachV (§ 3 Abs. 1) eine Übergangsregelung vorgesehen, die eine Zertifizierung bis zum 30.06.2022 zulässt, wenn es einen Mangel an Auditoren gibt und der Betreiber eine diesbezügliche Eigenerklärung abgibt. Nach unseren Informationen will die BLE ein Muster für diese Eigenerklärung bis Ende Oktober 2021 veröffentlichen. Darin wird wohl ein schriftlicher Nachweis (z.B. Mail oder Schreiben einer oder mehrerer Zertifizierungsstelle/n) zur Nichtverfügbarkeit von Auditoren sowie die Registrierung bei einem Zertifizierungssystem (z.B. SURE) verlangt.
Wie weit ist die BLE?
Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ist die zuständige Stelle für die Anerkennung von Zertifizierungsstellen. Bis die neue BioSt-NachV in Kraft tritt, spricht die BLE vorläufige Anerkennungen von Zertifizierungsstellen aus. ValueCert hat den entsprechenden Antrag bei der BLE eingereicht und rechnet in Kürze mit der Anerkennung.
Über die staatliche Web-Anwendung „Nachhaltige – Biomasse – Systeme (Nabisy)“ der BLE wird aktuell bereits der Nachweis der Nachhaltigkeit für Biokraftstoffe (z.B. auch für Zündöl) erbracht.
Es ist vorgesehen, diese Datenbank auch für Zertifikate gemäß BioSt-NachV einzusetzen. Dem Vernehmen nach soll die dafür erforderliche Programmierung im Gange sein, jedoch kann niemand sagen, wann die Anpassung fertig sein wird.
Wer und wie häufig wird auditiert?
Im Zertifizierungsprozess zur Nachhaltigkeit werden einerseits die betroffenen Anlagen (Biogasanlagen, BHKWs, Biogasaufbereitungsanlagen, etc.) begutachtet. Diese werden als sog. „Schnittstellen“ bezeichnet. Die Zertifizierung der Schnittstellen erfolgt jährlich (gemäß der neuen BioSt-NachV im ersten Jahr halbjährlich).
Zusätzlich sind die Substratlieferanten zu begutachten. Diese werden in Gruppen (z.B. NawaRo-Lieferanten, Gülle/Mist-Lieferanten) eingeteilt und in Stichproben besucht.
Wie können sich betroffene Anlagenbetreiber vorbereiten?
Unabhängig davon, ob die BioSt-NachV nun zeitnah in Kraft treten wird, empfehlen wir, die folgenden Schritte rechtzeitig einzuleiten:
- Lieferanten informieren und Selbsterklärungen einholen
Die in einer Biogasanlage eingesetzte Biomasse gilt nur dann als nachhaltig, wenn sie von Flächen stammt, die am 01.01.2008 Ackerland und keine schützenswerten Flächen waren.
Nicht nachhaltige Biomasse darf spätestens ab dem 01.01.2022 nicht mehr zur Biogaserzeugung eingesetzt werden, sondern muss anderweitig genutzt werden (z.B. Viehfutter, Einsatz in Biogasanlagen unter 2 MW Feuerungswärmeleistung). Dies ist über Massenbilanzen nachzuweisen (siehe Punkt 2).
Für alle Lieferanten, deren Substrate für die Stromerzeugung ab 01.01.2022 eingesetzt werden, müssen sog. Selbsterklärungen vorliegen. Dies betrifft im Regelfall die Substratlieferungen 2020 und 2021, weil diese Substrate 2021 dosiert wurden und somit zur Gasbildung in 2022 beitragen. Muster dieser Selbsterklärungen fügen wir dieser Mail bei. Alle betroffenen Anlagen sollten von sämtlichen Substratlieferanten folgende Selbsterklärungen zeitnah und in jedem Fall vor dem 31.12.2021 einholen:
Substrate | Selbsterklärung |
NawaRo, Stroh, etc. von Ackerflächen Biomasse (Gras) von Grünflächen | Selbsterklärung für landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe (CC) oder (je nachdem, ob die Substrate von Cross-Compliance-Flächen stammen oder nicht) Selbsterklärung für landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe (nCC) |
Gülle/Mist, rein pflanzliche Nebenprodukte, Bioabfälle | Selbsterklärung für Entstehungsbetriebe von Abfall und Reststoffen |
Wichtig ist dabei, dass pro Kalenderjahr eine eigene Selbsterklärung abgegeben wird, folglich müssen in den meisten Fällen zwei Selbsterklärungen (für 2020 und 2021) abgegeben werden. Stammt Biomasse von Grünland, so ist dafür eine eigene Selbsterklärung auszufüllen (getrennt von der Erklärung für Ackerflächen). Ein Beispiel: Liefert ein Lieferant sowohl Gülle/Mist, wie auch NawaRo von Acker und Grünflächen, so wären je Anbaujahr 3 Selbsterklärungen von diesem Lieferanten einzuholen.
Muster solcher Selbsterklärungen mit Ausfüllhinweisen fügen wir diesem Informationsschreiben bei. Die jeweils aktuellen Originalformulare zum Ausfüllen sind zu finden unter: https://sure-system.org/de/dokumente.html#formulare.
Zum Flächenstatus 2008 sollten bei den Lieferanten von Anbaubiomasse z.B. die Dokumente zum Mehrfachantrag aus 2008 oder eine entsprechende Bestätigung des Landwirtschaftsamts vorliegen. Ersatzweise könnten auch Luftbilder der Flächen aus der Zeit vor dem 01.01.2008 herangezogen werden, um die Art der Flächennutzung zu belegen.
- Massenbilanzen aufstellen
Es ist eine Jahresbilanz der Substratmassen aufzustellen, d.h. eine Übersicht der Lieferanten, der Substrat-Arten, ihrer Mengen und ihres Einsatzes über das Jahr. Dazu hat ValueCert,
aufbauend auf der unseren Kunden bekannten Auswertedatei, ein entsprechendes Instrument entwickelt, damit die Daten möglichst einfach eingegeben und später leicht geprüft werden können. Dieses Instrument wird unseren Kunden kostenfrei zur Verfügung gestellt. Für die Erstzertifizierung ist die Massenbilanz einzurichten, in den Folgejahren ist sie anzuwenden und zu prüfen.
- Treibhausgasbilanz erstellen
Nur Anlagen mit einer Inbetriebnahme ab dem 01.01.2021 müssen eine Treibhausgasbilanz erstellen (da es nur wenige Neuanlagen gibt, sind von dieser Pflicht nur wenige Anlagen überhaupt betroffen!). Dazu entwickelt der Fachverband Biogas das Excel-Instrument „ZertGas“ und will dies auch den Betreibern zur Verfügung stellen.
- Bei einem Systemgeber registrieren
Registrieren Sie sich bei einem Zertifizierungssystem, z.B. SURE: https://certification.sure-system.org/Login
- Vertrag mit einer Zertifizierungsstelle abschließen
Gerne erstellen wir kurzfristig ein individuelles Angebot für Sie.
Wie läuft eine SURE-Zertifizierung über ValueCert ab?
Wenn Sie sich für eine Zusammenarbeit mit ValueCert entscheiden, wird die Zertifizierung in folgenden Schritten erfolgen:
- Wir stimmen ab, welche Nachweise Sie benötigen und wie groß die Stichprobe bei den Substratlieferanten sein muss.
- Wir erstellen ein unverbindliches Angebot für Sie.
- Nach Auftragserteilung erhalten Sie vorab eine Liste der Dokumente, die Sie benötigen, und eine Excel-Datei für die künftige Massenbilanzierung.
- Nach Terminabstimmung findet ein Audit vor Ort bei der Schnittstelle (Biogasanlage) und einer Stichprobe der Lieferanten statt.
- Nach erfolgreicher Prüfung erhalten Sie ein Zertifikat, das die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien bestätigt.
Wie Sie es von uns gewohnt sind, können Sie sich mit Ihren Fragen zum rechtlichen Hintergrund und dem Zertifizierungsverfahren jederzeit an uns wenden.
Sollten Sie auch im Biokraftstoffbereich tätig sein, so wenden Sie sich gerne ebenfalls an uns.
Kennen Sie weitere Anlagenbetreiber, die vor den gleichen Herausforderungen stehen, reichen Sie unser Informationsschreiben gerne weiter.
Michael Hub | Karl-Heinz Töpp | Georg Dierschke | Andreas Rettenberger |
Umweltgutachter | Umweltgutachter | Umweltgutachter | Umweltgutachter |
ValueCert Hub & Partner mbB
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